Sonntag, 4. März 2012

Winterfreuden


TWRMädels Wunsch sei mir Befehl!

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JoBo lebt noch. Nach seinen Langstreckenabenteuern und der Umschulung zum Kapitän, gönnt er sich ein paar freie Tage in der Engadiner Bergwelt. 
Dunkle Wolken ziehen über dem Engadin auf. 
"Herr Bohnenblust, hören sie mich?»
«Ich glaube der ist weg.»
«Hallo Herr Bohnenblust, hören sie mich?»

JoBo lag ausgestreckt auf der Skipiste auf 2430 Meter über Meer und blutete leicht aus der Nase. Sein Skistock war an drei Stellen gebrochen und die Brille voller Schnee. Um ihn herum standen drei Personen, zwei davon ausgesprochen hübsche Rettungssanitäterinnen. Er träumte, die anderen reanimierten, schufteten, halfen.

«Reich mir mal die Taschenlampe! Die Pupillen reagieren, also vermutlich kein Schädel-Hirn-Trauma. Diese Unterländer! Kaufen sich einen Helm und einen Rückenpanzer und glauben danach, sie seien Cuche!»

JoBo träumte von pilotischen Heldentaten, Seitenwindlandungen am Limit des Flugzeugs und heiklen Notfällen, die nur dank seines beherzten Eingreifens glimpflich ausgingen. Er war ein Held, der als letzter von Bord ging, zumindest in seinen Träumen.

In der Ferne hörte man das Geknatter des REGA-Hubschraubers näher kommen. Mit dem Lärm kamen die Gaffer, mit den Gaffern die Probleme. Skistöcke wurde herumgewirbelt und Skimützen verabschiedeten sich von den Köpfen der Besitzer Richtung Tal. Drei Schümli-Pflümli wurden auf Tisch 12 weggeblasen und die klebrige und braune Flüssigkeit verteilte sich auf dem Kunstfell der weissen Bognerskijacke einer deutschen Skiläuferin. Den Hubschrauberpiloten interessierten die Probleme modebewusster Deutscher nicht, er landete sicher auf seinen zwei Kufen und ein Arzt spurtete zu JoBo.

JoBo erwachte kurz aus seinen Träumen. Er blickte in zwei wunderschöne dunkle Augen, die einer Rettungssanitäterin in roter Kluft gehörte. Noch im Spital war er davon überzeugt, dass ihn Melanie Winiger persönlich mit dem Hubschrauber abholte. Die Schmerzmittel taten ihre Pflicht und JoBo verabschiedete sich wieder in das Reich der Träume.

Das Nächste, an was sich JoBo erinnerte, war Knoblauchgeruch. Langsam öffnete er seine Augen und erblickte neuerlich das Gesicht einer Frau. Nicht so jung, nicht so hübsch und neben den blauen Augen bildeten sich Grübchen, die bei Melanie vorher nicht da waren.

«Bongiorno Signore Bohnenblust., mi chiamo Alessandra.»

JoBo verstand kein Italienisch, kombinierte aber schnell. Alessandra stand auf dem Namensschild über der riesengrossen Brust und darunter stand Krankenschwester Klinik Gut. An ihrem Atem erkannte er, dass die Signora Spaghetti Aglio et Olio liebte, das Zähneputzen weniger. Er schlief wieder ein.

Kurz vor der Arztvisite erwachte JoBo mit Schmerzen am ganzen Körper. Er schaute sich im Zimmer um und brauchte eine Weile, bis er sich orientiert hatte. Er war offensichtlich in einem Spitalbett. Schläuche links und rechts seines Körpers waren gefüllt mit undefinierbaren Flüssigkeiten und hinter seinem Kopf piepte es im Takt des Herzens. Er lebte, wenn auch mit grossen Schmerzen und wenig Hoffnung auf Mitleid.

Die Türe wurde schwungvoll aufgestossen. Ein braungebrannter Arzt trat ins Zimmer, im Schlepptau hatte er drei Damen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Schönheit. Der Arzt war Deutscher mit schwäbischem Akzent. 

«Na Herr Bohnenblusch, sie hend wohl ihre Skikünschde überschädzd, gell? Die charmande Frau Candrian wird ihne ebbes Blud abnehme, d Verbänd wechseln und sie so zurechd mache, dess sie für ihre Beddnachbarn, dr gleich oigelieferd wird, angenehm rieche.»

Und schon war der Herr Doktor wieder weg.
Frau Candrian schien für Sorgen, Schmerzen und «Bebechen» von verunfallten Flugkapitänen kein Verständnis zu haben. Schnell, Gründlich und ohne Respekt für intime Zonen, wurde JoBo gewaschen, gepudert und zurecht gemacht.

Nach dieser Tortur schlief er wieder ein.

Mit lautem Gerümpel und Gepolter wurde die Türe aufgestossen und begleitet von zwei Damen und lauten Flüchen, wurde JoBo's Leidensgenosse ins Zimmer gestossen.

«Ich bin Privatversichert, habe Anrecht auf ein Einzelzimmer und will, wenn schon im Zweibettsaal, am Fenster liegen!»
«Nun beruhigen sie sich doch Herr Huber. Der Herr neben ihnen ist auch Privatversichert und ich bin sicher, dass sie sich unter Piloten bestens verstehen werden!»

Huber fackelte nicht lange und ging auf Angriff:

«Wer die grössere Kiste fliegt, darf am Fenster schlafen! Ich fliege den Gulfstream G650!»
«A321»
«Also, wer fliegt den schnelleren Jet? Höchstgeschwindigkeit des G650 ist M 0.925.»
«Tiger F-5, Maximalgeschwindigkeit M 1.64.»

«OK, dann frage ich anders: Wer fliegt den Jet neuster Technologie?»
«Kannst den Fensterplatz haben…»

Huber klingelte wie wild und nacheinander betraten ein Arzt, die Chefkrankenschwester und Alessandra das Zimmer. Schlussendlich blieb Alessandra und das Zimmer füllte sich mit Knoblauchduft. Es brauchte 15 Minuten und viel Schweiss, bis die schweren Spitalbetten da waren, wo sie Herr Huber wollte. Zufrieden war der G650 Kapitän nur wenige Minuten. Er klingelte wieder:

«Es blendet!»
«Willkommen in der Engadiner Bergwelt mit dem berühmten Sonnenlicht!»

Alessandra verliess den Raum kopfschüttelnd.

Den Herren Bohnenblust und Huber wurde es nicht langweilig. Sperrt man zwei Piloten in ein Zimmer, die vor Jahren noch im gleichen Konzern (SAirGroup) aber nicht in den gleichen Firmen (Crossair und Swissair) gearbeitet haben, geht der Gesprächsstoff nie aus.

«Moritz war ein Held.»
«Blödsinn, der hat nur wegen unseres Geldes überlebt.»

«Ihr habt zuviel verdient, darum ging die Bude pleite.»
«Ihr seit zu langsam geflogen, darum gingen die Passagiere zu Air Berlin.»

«Ihr hattet viel zu viele Langstreckenflugzeuge.»
«Ihr hattet viel zu viele technische Probleme auf euren Kisten.»

«Ihr seit nur ILS hinuntergerutscht.»
«Wir flogen in Kai Tak den IGS13 und noch heute den Canarsie in New York.»
«Nichts gegen London City und Lugano!»
«Ach wegen ein paar Grad Anflugwinkel mehr…»
«Ihr braucht ja ein Care Team nach der Landung, wenn der Gleitwinkel 3° übersteigt!»
«Und ihr braucht ein Care Team, wenn ihr mehr als 20 Tonnen landen müsst.»

«Ihr arbeitetet zu wenig.»
«Ihr arbeitetet zu viel.»

«Eure Uniform war wie ihr: Hässlich, aber Hauptsache teuer und und durchgestylet.»
«Eure Uniform war …»

… und wenn sie nicht genesen sind, dann streiten sie sich noch heute!

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