Sonntag, 6. Mai 2012

das Ohr des Leaders Teil 3


Liebe Leserinnen und Leser, ich muss sie leider enttäuschen. Aus Katharina und JoBo wird nichts. Ein Pilot und eine Flugverkehrsleiterin, das kann nicht gut gehen! Zwischen diesen zwei Berufsgruppen läuft es nur reibungslos, wenn sämtliche Kommunikation in der «Standard Phrasologie» abgehandelt wird. Langfristig führt das in Partnerschaften zu Konflikten und Trennungen.
Heisst es in normalen Beziehungen «Schatz, könntest Du mir ein Bier holen?», würde die Kommunikation zwischen einem durstigen Piloten und einer Flugverkehrsleiterin um einiges sachlicher, aber dafür in beziehungstechnischer Hinsicht schwieriger ablaufen:

«Request a beer!»
«Unable due to traffic.»
«OK, request two beers and chips with salsa.»
«Unable due to traffic.»
«In this case, I have no choice: MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY…»

Sehen sie, worauf ich raus will? Das kann nur schief gehen. Katharina blieb (vorerst) Single, JoBo hüpfte wenige Tage später in ein warmes Nest. Interessanterweise lernte er die Dame wieder über das Mikrofon kennen und interessanterweise auch am Flughafen Zürich. Eines Morgens fragte ihn eine sympathische Stimme: «Guten Morgen Cockpit, kann ich das Flugzeug anheben?»

Sonja war eine stämmige Frohnatur aus dem Zürcher Weinland und arbeitete am Flughafen als Push-Back-Fahrerin. Die warme und weiche Stimme elektrisierte JoBo an diesem nebligen Morgen und brachte sein Herz zum Springen, so wie ein dreifacher Nespresso, gebraut aus schwarzen Kapseln. So quasi Liebe auf den ersten Stoss. Beim «all clear signals received» winkte man sich zu und ein kurzer Augenkontakt kam zu Stande. Schnell machte JoBo nach dem Flug Sonjas Telefonnummer ausfindig und verabredete sich eine Woche später mit der Dame zum Abendessen im Schloss Schwandegg in Waltalingen. Man entschied sich für einen Rehrücken aus heimischer Jagd und dazu einem Flaacher Barrique Jahrgang 2006. Zum Dessert gab es gebrannte Creme und einen Brandwein und zum Nachtisch Sex in Sonjas umgebauten Bauernhaus mit Sicht auf den Herbstnebel im Zürcher Weinland.

Die Beziehung verlief harmonisch und stabil. Die Beiden passten gut zueinander und waren auf dem ganzen Flughafen bald als Traumpaar bekannt. Gemeinsame Ferien folgten und JoBo packte seine Sachen und zog vom Weinbauort Weiningen ins Zürcher Weinland. Nach den rassigen Schlitten wie Q3 und Golf V77, fuhr er jetzt einen Subaru Legacy, der so ganz prima in den ländlichen Teil des Kantons passte. Bereits nach drei Monaten schmiedeten sie Hochzeitspläne und auf dem Bürotisch lagen Kostenvoranschläge für den Umbau der Küchenkombination für geschätzte 50'000 Franken. Sonja arbeitete jetzt Teilzeit und versuchte beide Arbeitspläne aufeinander abzustimmen.

JoBo wurde ein anderer Mensch. Junge Damenbeine unter kurzen Röcken verloren ihren Reiz und am Abends während dem Night Stop zog er sich gerne auf sein Zimmer zurück und las Zeitschriften wie «Landlust» und «Land und Leute». JoBo hatte seine innere Ruhe gefunden. Er engagierte sich in der Dorfgemeinschaft und trat der örtlichen Feuerwehr bei. Man sah ihn öfters in karierten Hemden und Gesundheitsschuhen mit breitem Fussbett.

Nach den gemeinsamen Ferien im Südtirol fuhr JoBo mit dem Subaru (ich bremse auch für Tiere!) in die Tiefgarage am Flughafen und suchte einen Parkplatz. Nach gut 20 Minuten hatte er Glück, fand eine Lücke und drückte am Lift die Taste nach unten. Schnellen Schrittes lief er zum Crew-Postfach in der Hoffnung, kein bekanntes Gesicht zu erblicken, schliesslich hatte er sich mit Sonja um 15 Uhr im Reformhaus in Kloten verabredet.
Mit einem Stapel Papier unter dem Arm verliess er das Gebäude, lief zum Subaru (ich bremse auch für Tiere!) und suchte vor dem Reformhaus einen freien Parkplatz. Heute Abend war ein Festessen geplant. Soja-Tofu mit Seitan-Weizen-Spiesschen und zum Dessert Fruchteis mit Tofu. JoBo hätte nie gedacht, dass die vegane Küche so gut schmecken würde.

Zuhause angekommen zog er sich kurz ins Arbeitszimmer zurück und öffnete die Crew-Post. Neue Direktiven, Procedures und Wechsel bei den Subalternen wurden – leider nicht auf Umweltschutzpapier – angekündigt. Zuunterst auf dem Stapel lag eine Einladung zu einem CRM-Kurs im Jura. Goumois hiess der Tagungsort und man werde sich dort drei Tage mit Kollegen von anderen Firmen am Flughafen zu einem intensiven Austausch treffen mit dem Ziel, die Arbeit zwischen den Schnittstellen zu verbessern und die Zusammenarbeit zu stärken. Nicht schlecht, dachte JoBo, und legte den Brief auf den Stapel. Bis zum Kurs waren es noch drei Wochen.

Drei Wochen später stand er am Bahnhof Andelfingen und wartete auf den ankommenden Zug aus Schaffhausen. Zusammen mit einem Copiloten der Langstrecke, bildete er eine Fahrgemeinschaft und sie nahmen den langen Weg Richtung Westen unter die Subaru-Räder. Bei der Raststätte Kölliken-Nord gönnten sie sich einen Kaffee und trafen auf ein bekanntes Gesicht. Jaques Gonfler sass in einer Ecke und strahlte, als er JoBo entdeckte.

«Mon Dieu, was macht denn der Bohnenblust hier?»
«Ach der Gonfler! Arbeitest Du hier?»
«Ich nicht, aber Supaporn steht hinter dem Tresen. Ich habe sie letzten Monat in Bangkok geheiratet und mit in die Schweiz genommen. Du weisst ja, sonst stellt sie in Thailand mit meiner Sozialhilfe wieder Blödsinn an.»

Das Gespräch drehte sich um alte Zeiten, noch ältere Flugzeuge und Heldentaten, die so unmöglich stattfinden konnten. Der Copilot drängte zum gehen, schliesslich stand noch eine lange Fahrt auf dem Programm.

Mit einer Verspätung von 23 Minuten traffen sie in Goumois ein. Der Treffpunkt war ein Zeltplatz idyllisch gelegen am Doubs. Nicht weit davon übten Kajakfahrer das Spiel mit dem wilden Wasser und eine deutsche Familie versuchte mit nassem Holz ein Feuer zu entfachen.

«Nun beeilt Euch schon! Die anderen sind schon bei der Bootsausgabe.»
«Bootsausgabe?»
«Als Einstieg machen wir einen Bootsausflug. Dabei bilden zwei sich unbekannte Personen ein Team und teilen die zwei Nächte auch das Zelt.»
«Campieren?»
«So, jetzt vorwärts dalli! Zum Diskutieren haben wir am Abend Zeit. Bohnenblust, sie haben Zelt Nummer 4.»

JoBo lief zum Zelt Nummer 4. Klein, aber tadellos montiert, das sah er auf den ersten Blick. Auf der linken Luftmatratze lag ein blauer Rucksack und daneben verteilt eine Daunenjacke und eine Stirnlampe. JoBo zog sich um und ihm stockte der Atem, als er zufällig das Namenschild auf dem Rucksack sah. «Katharina von Sigriswil» stand da in grossen Lettern geschrieben. Das konnte ja heiter werden.

Fortsetzung folgt.

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